04. Juni 2011

Es ist Zeit, die Party zu beenden, denkt Jonas und sieht dem Stempel auf den Pulsadern des Handgelenks beim Verblassen zu. Jahrelang wollte er sich nur die Gedanken aus dem Kopf tanzen. Die letzten Monate ließ er sich fallen und suchte kurze Momente der intimen Zuneigung. Ein paar Küsse, ein bisschen Anfassen. Kurz den Gedanken erlauben, noch einen Schritt weiterzugehen, dann abbrechen und benebelt den Heimweg antreten. Ganz selten den Schritt doch gehen.

Es ist ein banales, immergleiches Spiel. Beim Betreten des Clubs den Zynismus zur Seite schieben und fröhlich jedes auch nur entfernt bekannte Gesicht per Handschlag grüßen. Wenn man jeden Tag im gleichen Café sitzt und jede Woche die gleiche Tanzfläche aufsucht, kennt man eine Menge Gesichter. Nachdem er sein Bier ergattert und den DJ umarmt hat, sucht er sich ein hübsches Mädchen oder einen aufgeschlossenen Kerl. Er verschenkt sein strahlendstes Lächeln, sucht den Funken in den Augen und verwickelt den Gegenüber in unberechenbare Gespräche. Jonas kann aus den kleinsten Aufhängern den Bogen zur Weltliteratur, politischen Philosophie und Nebenschauplätzen der Popkultur spannen und sich dabei selbst jede Ernsthaftigkeit nehmen. Die meisten fühlen sich nicht billig angebaggert, sondern merken, dass er eindeutige Intentionen hegt, sein Interesse aber jeden Moment verschwinden kann. Sie lassen sich gerne auf das Katz und Maus-Spiel ein. Jonas lässt sich beeindrucken, berührt zufällig Handgelenk, Oberarm und Rücken, verkleinert den Schutzpanzer der Person. Am Ende verschwinden sie zusammen in einer Ecke.

Der Mangel an Herausforderung langweilt ihn. Beide Seiten wissen immer um das Kurzfristige dieses Abends, weshalb es so einfach ist. Die kurzen Momente der Zuneigung sind nur kurze Momente, die Erinnerung verblasst schneller als der Stempel und alles was bleibt, ist der Nachdurst am nächsten Morgen und das um sieben Bier erleichterte Portemonnaie. Es ist Zeit, die Party zu beenden.

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