19. September 2011

"Vielleicht freuen sich unsere Bundespolitiker auch ein bisschen über die Krise Griechenlands. Es ist doch schön, wenn man eine plausible Ausrede hat, die eigenen Probleme geflissentlich für eine Weile zu ignorieren. Gut, die Rosi von der FDP freut sich eher nicht. Das war nun auch ein gewagter Plan. Zur Vermeidung einer außerparlamentarischen Opposition in der Hauptstadt bildet man doch keine Opposition innerhalb der Bundeskoalition. Meine Hoffnung, dass wir gut ausgebildete Börsenexperten und Wirtschaftsweisen haben, die eine Problemlösung fix ausrechnen, war zugegeben naiv. Stattdessen beobachten wir von einer Physikerin beschäftigte Humanmediziner, Kommunalverwaltungsbeamte und Juristen in einem Polittalkshow genannten Debattierverein, die unter dem Druck der Provokationen von Jauch ausdiskutieren, ob jetzt pro-europäisch oder anti-europäisch die tatsächlich pro-deutsche Haltung sei. Die Finanzmathematiker machen in einer Randbemerkung deutlich, dass sie dieses Thema lediglich reaktionär und auf Basis der ohne ihre Hilfe beschlossenen Regierungsentscheidung behandeln werden, stünden sie schließlich vor einem ähnlichen Rätsel, wie die Biologen bei der Krebsheilung. Den Tageszeitungen, allen vorran natürlich stets die Springerblätter, wird es inzwischen zu langweilig, nachdem sie bereits den Wirtschafts- und Finanzteil mit den Auswirkungen gefüllt haben, sich auch noch im Politikteil mit dieser Tatenlosigkeit zu beschäftigen. Stattdessen echauffiert man sich über die Wahlergebnisse in Berlin und behauptet, ohne ein einziges Argument oder Beispiel zu bringen, SPD und Piraten seien inhaltslose Gefühlsparteien. Inhaltsleer!" Jonas reißt einen Stapel Altpapier aus dem Zeitschriftenständer und hält ihn sich über den Kopf. "Inhaltsleer! Ein Kommentar von Udo Walz über die widerspenstige Frisur Klaus Wowereits. Die Vermutung, Frankreich könnte vor Jahren das Exilfluchtauto Gaddafis gestellt haben. Steven Gätjen in der Rettung der Samstagabendunterhaltung Stefan Raabs schwerster Gegner. Als Koksparty getarntes Dschungelcamp-Casting im Käferzelt. Wollt ihr mich verarschen!?" Er donnert den zerfledderten Haufen in die Ecke. "Es kotzt mich an!"

"In Athen erzählte mir ein Student, eine Bekannte von ihm arbeite, zusammen mit vierzig weiteren, in einer Behördenabteilung, die für die Trockenlegung eines Sees zuständig sei, in dem seit fünfzehn Jahren kein Tropfen Wasser mehr zu finden ist. Einige der Angestellten hätten den Beamtenstatus von ihren mittlerweile verstorbenen Eltern geerbt." Der Gefährte schüttelt immer wieder den Kopf, während er ihm in seinem Auslandsjahr zugetragene Anekdoten über griechische Verwaltung und Korruption erzählt.

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