2011 – Ein Rückblick

Viel wurde geredet, diskutiert und festgestellt, während man im Graceland unzählige Kaffeebecher leerte, Backgammon, Schach oder Poker spielte, Sportübertragungen, Filme und Serien schaute. Eine kleine Bilanz, was die kritischen Beobachter an Theke und Stammtisch interessierte, welche Ereignisse gefeiert wurden, welche Themen man geflissentlich versuchte zu ignorieren und wann schlicht die Worte fehlten.

Der arabische Frühling
Mit großem Interesse verfolgte man die Auseinandersetzung der tunesischen, ägyptischen, libyschen, syrischen und jemenitischen Bevölkerung mit ihren Diktatoren oder langjährigen Staatsführern und beglückwünschte sie zu ihrem Demokratiewillen. Gleichzeitig fiel es schwer, das Aufbegehren und die Auswirkungen einzuschätzen, weil nur wenig über die politische Kultur und Geschichte dieser Länder den Gästen des Graceland bekannt war. Die Reaktionen der deutschen und europäischen Politiker wirkte opportunistisch. Zu selten hatten sie in der Vergangenheit die Legitimität der arabischen Regierungen öffentlich angezweifelt. Westerwelles Verweigerung einer Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Militärmaßnahmen in Libyen unterstützte man insofern, dass die Kritik an seiner Entscheidung bei gleichzeitiger Kritik am Irak- und Afghanistaneinsatz widersprüchlich gewesen wäre. Die Hinrichtung Muammar al-Gaddafis war nachvollziehbar, aber falsch. Dass jedoch selbst die westliche Welt nicht vor solchen Rachetaten gefeit ist, zeigte bereits im Mai die prozesslose Exekution Osama bin Ladens durch amerikanische Soldaten. Der geringste Fortschritt ist bisland in Syrien zu verzeichnen, aber auch in Ägypten, Jemen und Libyen dauern die Unruhen an. In Tunesien kann man sich nicht sicher sein, dass die demokratische Ausrichtung des Wahlsiegers, der islamischen Ennahda, der innerparteilichen Realität entspricht. Die Umwälzungen in der arabischen Welt werden auch 2012 Thema bleiben und es besteht ganz klar Nachholbedarf beim Wissen über diese Region, um sich angemessen mit ihr auseinandersetzen zu können.

Unsymphaten
1. Karl-Theodor zu Guttenberg
2. Bushido
3. Philipp Rösler
4. Felix Magath
5. Joseph Blatter

Der frühere Police Captain Ray Lewis in Handschellen bei einer OWS-Demonstration in New York.

Die Finanzkrise und die Occupy Wall Street
Überfordert war man im Graceland mit der Krise des Euros und sowohl die Experten in den Medien als auch die Politiker zeigten so gut wie keine Lösungsansätze, sondern ebenfalls überwiegend völlige Ahnnungslosigkeit, wie man den Problemen begegnen sollte. Ohne konstruktive Vorschläge, aber mit einer Menge Wut im Bauch formierten sich weltweit Bewegungen mit großen Teilnehmerzahlen, die, in Italien und Griechenland sogar zum Teil gewaltbereit, gegen bestehende Verhältnisse demonstrierten. Immerhin ließ Angela Merkel erstmals Durchsetzungsfähigkeit und eine Art Profil erahnen. Frankreich und Deutschland verhandelten mit dem Rest der EU Hilfspakete, die Kreditwürdigkeit der USA wurde herabgestuft, der britische Premierminister Cameron versuchte den Finanzstandort London zu sichern, China setzte alles daran, das weitere Wachsen der Wirtschaft zu garantieren und Portugal, Griechenland, Italien und Spanien kämpften krampfhaft mit der Sanierung ihrer Haushalte.

Nervigste Pointenausschlachtung
1. Krise der FDP
2. EHEC
3. Manipulation der russischen Parlamentswahlen

Kate beginnt vor den Augen der Öffentlichkeit die Flitterwochen.

Sportliche Höhe- und Tiefpunkte
Schalke 04 schlachtete Inter Mailand im Champions League-Viertelfinale und wurde später mit einem ebenso deutlichen Ergebnis DFB-Pokalsieger. CL-Sieger Barcelona ließ gegen Manchester United keinen Zweifel an der spanischen Dominanz im internationalen Vereinsfußball. Borussia Dortmund erkämpfte sich nach langer wirtschaftlicher Krise wieder einen Meistertitel und insbesondere Mario Götze avancierte in der jugendlichen Mannschaft zu einem Publikumsliebling. Dallas Mavericks gewannen die NBA-Playoffs und Dirk Nowitzki wurde wertvollster Spieler der Finalserie. Wladimir Klitschko konnte den Maulhelden David Haye besiegen, der sich mit einer Zehverletzung herausreden wollte. Sebastian Vettel wurde Formel 1-Weltmeister. Joseph Blatter ging mit den Korruptionsvorwürfen gegen die FIFA unsouverän um und ließ es an Transparenz mangeln. Michael Ballack wurde als deutscher Nationalspieler abgedankt und Theo Zwanziger dankte als DFB-Präsident selbstständig ab.

Songs
1. Mumford & Sons – Little Lion Man (Monkey Safari Remix)
2. The National – Exile Vilify
3. Lana Del Rey – Blue Jeans
4. Philipp Poisel – Eiserner Steg
5. Eminem feat. Dr. Dre & Skylar Grey – I Need A Doctor
Sonderpreis für Originalität: The Lonely Island feat. Akon – I Just Had Sex
Einfach nur mies und trotzdem omnipräsent: Rihanna – We Found Love

Filme und Serien
Ryan Gosling konnte 2011 als ultimativem Karrieredurchbruch feiern. Es würde nicht verwundern, wenn er aus dem Nichts kommend mehrere Oscarnominierungen erhielte. Wenn man von “Shame” und “Melancholia” absieht, rettete er, gemeinsam mit George Clooney, das Kinojahr: “Drive”, “Crazy, Stupid, Love.”, “The Descendants” und vor der Kamera vereint in “The Ides of March” – fantastisch. Von der Entgleisung Lars von Triers, in welcher er sich zur Ideologie Adolf Hitlers bekannte und nach der er von künftigen Filmfestspielen in Cannes ausgeschlossen wurde, sollte man sich “Melancholia” nicht vermiesen lassen. Kirsten Dunst zeigte in diesem Untergangsdrama ihr ganzes Talent und hatte zudem die mit Abstand erotischste Szene des Kinojahres. Auch das Harry Potter-Finale konnte überzeugen. Die Jugendbuchreihe einer Generation wurde in Schrift und Bild würdevoll abgeschlossen.
Den Titel für die beste neue Serie müssen sich “Game of Thrones” und “Homeland” teilen, dicht gefolgt von “Suits”. Erwartungsgemäß großartiges Fernsehvergnügen boten die vorletzte Staffel “Breaking Bad”, die zweite Staffel “Boardwalk Empire” und die sechste Staffel “Doctor Who”. Auch “Modern Family” und “Californication” überzeugten, während “Two and a Half Men” ohne Charlie Harper und mit Ashton Kutcher nicht für die gewohnten Lacher sorgen konnte. Ebenso schwächelten “How I Met Your Mother” und “The Big Bang Theory”.

Meistgespielte Künstler und Bands
1. Drake
2. Muse
3. The Kills
4. David Bowie
5. Stars

Eine Mutter nutzte ihren Körper als Schutzschild, um ihr Baby vor den Auswirkungen des Erdbeben in Japan zu retten.

Katastrophen und Morde
Schweigend nahm man im Graceland die Meldungen über das Erdbeben, den Tsunami und die Kernschmelze in Japan sowie das Attentat in Utoya zur Kenntnis. Wenige Worte fand man auch über die politisch motivierten Morde einer rechtsextremen Untergrundorganisation. Lediglich die mediale Ausschlachtung – und sei es mit dem begrüßenswerten Ergebnis eines Machtwechsels in Baden-Württemberg, des überfälligen Automausstieg oder der Aufdeckung von Missständen beim Verfassungsschutz – stießen sauer auf.


Peter Alexander
Amy Winehouse
Loriot
Steve Jobs
Christa Wolf
Václav Havel

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